Als Reaktion auf
den Livländischen Krieg, das Terrorregime unter Ivan IV. und die große
Wüstungsperiode schränkte das Moskauer Reich Ende des 16. Jahrhunderts das
Recht der Bauern auf freien Abzug erstmalig ein. Das Gesetzbuch von 1649 band
die Bauern dann lebenslänglich an den Grundherrn. Damit hatte sich die
ursprünglich als Notmaßnahme gedachte Aufhebung der Freizügigkeit zu einer
generellen Bindung an die Scholle verfestigt.
Die Vorlesung
beleuchtet zunächst die Motive des Staates, der mit der Einführung der
Leibeigenschaft die Militärdienstfähigkeit des Adels und ein verlässliches
Steueraufkommen sicherstellen wollte. In einem zweiten Schritt wird untersucht,
wie die Bauern auf die Einführung der Leibeigenschaft reagierten. Wir schauen
insbesondere auf das Läuflingswesen und die Aufstände, die das Moskauer Reich
im 17. und 18. Jahrhundert erschütterten. In einem dritten Schritt
betrachten wir die gemeinsamen Lebenswelten der Leibeigenen und Gutsadligen.
Hierfür nehmen wir eine vergleichende Perspektive ein und fragen, inwieweit
sich die Leibeigenschaft in Russland von anderen Formen unfreier Arbeit, z.B.
der Leibeigenschaft in anderen europäischen Ländern sowie der Sklaverei in den
USA unterschied. Abschließend untersuchen wir, aus welchen Gründen die Leibeigenschaft
im 18. Jahrhundert zunehmend in die Kritik geriet und warum es trotzdem
erst 1861 zur Bauernbefreiung kam.
In response to the Livonian War, the reign of terror
under Ivan IV and the great period of desolation, the Moscow Empire restricted
the peasants' right to free exodus for the first time at the end of the 16th
century. The Code of 1649 then bound the peasants to the landlord for life.
This meant that the abolition of freedom of movement, originally conceived as
an emergency measure, had solidified into serfdom.
The lecture first examines the motives of the state,
which wanted to ensure the military serviceability of the nobility and a
reliable tax revenue by introducing serfdom. In a second step, we will examine
how the peasants reacted to the introduction of serfdom. In particular, we look
at the uprisings that shook the Muscovy in the 17th and 18th centuries. In a
third step, we look at the common worlds of the serfs and the nobles. For this,
we take a comparative perspective and ask to what extent serfdom in Russia
differed from other forms of unfree labour, e.g. serfdom in other European
countries as well as slavery in the USA. Finally, we examine the reasons why
serfdom came under increasing criticism in the 18th century and why, despite
this, peasant liberation did not occur until 1861.
Literatur:
Peter Kolchin,
UnfreeL. American Slavery and Russian Serfdom, Cambridge, Mass. 1987; David Moon, The Abolition of Serfdom in
Russia, 1762 - 1907 (= Seminar Studies in History), Harlow 2001; Christoph Schmidt, Sozialkontrolle in Moskau. Justiz,
Kriminalität und Leibeigenschaft 1649 - 1785. Zugl.: Köln, Univ., Habil.-Schr.,
1993-94 (= Quellen und Studien zur Geschichte des östlichen Europa, Bd. 44),
Stuttgart 1996; Elise Kimerling Wirtschafter,
Russia's Age of Serfdom 1649 - 1861 (= The Blackwell history of Russia),
Malden, Mass. u.a. 2008.
Leistungsnachweis:
Klausur