Von Johannes Burkhardt als ‚Krieg der Kriege‘ betitelt oder von Peter Wilson als ‚europäische Tragödie‘ beschrieben stellt der Dreißigjährige Krieg einen fundamentalen Einschnitt in der europäischen Geschichte dar, dessen ökonomischen, politischen, rechtlichen und kulturellen Konsequenzen sich in das kollektive Gedächtnis des Kontinents eingegraben haben. Die Übung steckt in aller Kürze den weiteren ereignisgeschichtlichen Rahmen ab, widmet sich dann aber schwerpunktmäßig der Sicht mehr oder weniger betroffener Zeitgenossen auf ein Bündel militärischer Konflikte, das sich aus ihrer Perspektive womöglich anders und weniger einheitlich bzw. geordnet darstellte als aus größerer zeitlicher Distanz.Da eine Vielzahl an autobiographischen Zeugnissen, literarischen Verarbeitungen, Bildmedien und anderen Quellenformen aus dem 17. Jahrhundert vorliegt, kann die Übung sich dieser Kernfrage vorwiegend über die direkte Auseinandersetzung mit Zeugnissen der Zeit annähern – seien es etwa literarische Verarbeitungen wie Der Abenteuerliche Simplicissimus des Christoffel von Grimmelshausen, das Zeytregister eines bäuerlichen Kriegsbeobachters wie Hans Heberle oder Notizen beteiligter Soldaten. Thematisiert werden nicht nur inhaltliche Aspekte der Überlieferung, sondern grundsätzliche Probleme geschichtswissenschaftlichen Arbeitens, die sich hier untersuchen lassen; darunter Fragen nach dem Konstruktcharakter scheinbar ‚authentischer‘ Ego-Dokumente oder der Übertragbarkeit vergangener Lebenserfahrungen in die Moderne.
Dynastien prägten in der Vormoderne das europäische Mächtesystem und dem Haus Habsburg gelang es an der Wende von Mittelalter und Früher Neuzeit, zur einflussreichsten Familie des Kontinents aufzusteigen. Eine strategische Heiratspolitik und militärische Unternehmungen führten neben dynastischen Zufällen dazu, dass die zunächst im Südwesten des Alten Reiches in Erscheinung tretende Dynastie ihren Machtbereich ausdehnte, ihre Vertreterinnen und Vertreter Herrschaftskomplexe in ganz Europa anführten, und – obwohl das Heilige Römische Reich Deutscher Nation keine Erbmonarchie war – seit 1438 für annähernd 400 Jahre (mit einer Ausnahme) seine Kaiser stellten.Geht der Kurs einerseits ereignisgeschichtlichen Entwicklungen nach, legt er andererseits über die Auseinandersetzung mit innovativen Ansätzen der Dynastiegeschichte offen, dass es sich bei der oft als gegeben wahrgenommenen Kategorie ‚Dynastie als Kollektivsingular‘ um ein kulturelles Konstrukt handelt, an dessen normativen Formierung die agierenden Männer und Frauen sowie die Forschung gleichermaßen beteiligt waren. So fragen wir nach Grenzen vereindeutigender Konzepte von Herrschaft und Familie, um diese als komplexe Phänomene zu untersuchen, die in der Frühen Neuzeit Aushandlungsprozessen und einem Legitimationsdruck unterworfen waren. Aufgrund räumlicher wie zeitlicher Ausdehnung eignet sich das Haus Habsburg in besonderer Weise, um diesen Grundsatzfragen systematisch nachzugehen.
Eine einzigartige dynastische Konstellation führte im 16. Jahrhundert dazu, dass der Habsburger Karl V. zum Herrscher eines kontinentübergreifenden Weltreiches aufstieg, in dem – so eine zeitgenössische Äußerung – die Sonne nie unterging. Tatsächlich herrschte der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation mit seiner Familie über einen weitläufigen Machtbereich, zu dem inter alia Böhmen, Ungarn, die Niederlande, die spanischen Königreiche, Neapel und wachsende Teile der ‚Neuen Welt‘ zählten. Der multipolare Territorialkomplex war indes fragmentiert und umkämpft; ferner bildeten die Reformation, der Konflikt mit dem Haus Valois, die osmanische Expansion sowie Konflikte mit den Ständen zentrale Herausforderungen.Diese Ambivalenz stellt eine Erklärung der Faszination von Forschung, Literatur und Populärkultur für einen historischen Akteur dar, den wir im Kurs aus verschiedenen Blickwinkeln kennenlernen. Dabei ist die biographische Annäherung nur ein Aspekt des Proseminars. So lassen sich ausgehend von dieser interessanten historischen Persönlichkeit erstens zentrale politische, ökonomische und kulturelle Entwicklungen am Beginn der Frühen Neuzeit untersuchen. Zweitens ermöglicht es die von unterschiedlichen Wertungen geprägte Erforschung Karls, grundlegende Fragen geschichtswissenschaftlichen Arbeitens zu thematisieren – etwa den Paradigmenwechsel hin zur Strukturgeschichte oder die Wandelbarkeit historiographischer Urteile.