Annäherungen
Im Jahr 2012 hat unser Forschungszentrum
Spanien bei der Bundeszentrale für Politische Bildung den Band Deutsche und Spanier – ein Kulturvergleich
herausgegeben (leider inzwischen vergriffen), dazu 2016 noch einen Band zu den
Kulturvermittlern zwischen Spanien und Deutschland. Warum bieten wir dann diese
Vorlesung weiter an?
Die Antwort ist ganz einfach:
Weil diese beiden und andere Bücher den Gesamtkomplex Kultur und
Kulturvergleich nicht abdecken können. Eine Vorlesung kann dies natürlich auch
nicht, aber sie kann anders, offener, kommunikativer, an die verschiedenen
Themen herangehen.
Für einen Vergleich zweier Kulturen
ist es zuallererst nötig, mit dem kritischen Blick auf die anderen auch sich
selbst im Auge zu behalten. Ein objektives Außen, einen neutralen
Beobachterstatus kann es nicht geben. Das Andere, in diesem Fall die spanische
Kultur, wird aus der eigenen, hier der deutschen Perspektive betrachtet, auch
wenn wir uns bemühen, den deutschen Blick durch die bereits gemachten
Erfahrungen mit der spanischen Kultur zu verorten. Und so können im Durchgang
durch die fremde Kultur auch bislang ungesehene und unreflektierte Aspekte der
eigenen Kultur plötzlich sichtbar und problematisiert werden, wenn wir uns
sozusagen probehalber in die spanische Rolle versetzen und auf uns selbst
schauen – und umgekehrt.
Ein Ziel der Vorlesung ist
also, uns bewusst zu werden, dass wir, wenn wir an andere und an die eigene
Kultur denken, mit vorgeprägten Einstellungen, Stereotypen und Vorurteilen
denken, dass wir nie gänzlich aus unserer Haut heraus können, dass wir zwar so
etwas wie Objektivität anstreben, gleichzeitig aber wissen, dass wir sie nie
erreichen. Wir sind in selbstgesponnenen Bedeutungsgeweben verstrickt und
müssen sehen, was wir daraus machen.
Gleichzeitig
wirft das Projekt, „die deutsche“ mit „der spanischen“ Kultur vergleichen zu
wollen, erhebliche Fragen auf. Die Absetzbewegungen Kataloniens, das immer
wieder neu zur Sprache gebrachte Fremdeln in der Beziehung zwischen Ost- und
Westdeutschland oder auch die Bruchlinien, die sich in der Corona-Krise
zwischen Bundesländern bzw. Comunidades Autónomas oder zwischen unterschiedlichen
Gruppen der Bevölkerung auftaten, zeigen, dass es problematisch ist, pauschal
von einer deutschen und einer spanischen Kultur oder gar von „den Deutschen”
und „den Spaniern” zu sprechen. Inwieweit ist es überhaupt sinnvoll, 80
Millionen bzw. 45 Millionen Individuen einen vereinheitlichenden Begriff wie
„Deutsche“ oder „Spanier“ überzustülpen? Die Vorlesung möchte, das wäre ein
zweites Ziel, den Spagat wagen, diese Schwierigkeiten zu thematisieren und doch
gleichzeitig den Versuch zu unternehmen, eine umfassende Einführung in die
spanische Kultur im Vergleich zur deutschen zu geben.
Da Kultur immer ein Erbe oder
eine Bürde ist und auf uns kommt, um von uns aktualisiert zu werden, muss die
Vorlesung notwendigerweise immer wieder weit in die Geschichte zurückgehen, um
Erklärungsansätze für gegenwärtige Fragen geben zu können. Zusammen mit der
kulturvergleichenden Perspektive werden daher aus historischer und
gegenwartsbezogener Perspektive die wichtigsten Bereiche behandelt, die zum
Verständnis beider Kulturen und ihrer Beziehungen notwendig sind: Wirtschaft,
Politik, Bildung und Gesellschaft werden ebenso thematisiert wie der
deutsch-spanische Kulturaustausch und aktuelle Themen der Gegenwartskultur im
engeren Sinne.
Semesterplan
25.04. Einführung: Was tue
ich, wenn ich „Deutsche“ sage; was tue ich, wenn ich „Spanier“ sage; was tue
ich, wenn ich vergleiche?
02.05. Imaginierte Räume auf geographischen Karten: ein wenig Geschichte
09.05. Vorlesung in anderem
Rahmen: Studientagung zum Jakobsweg der KEB; Anmeldung (bis 29.04.) und
Programm: https://www.keb-regensburg.de/aktuelle-veranstaltungen/1-4663-studientag-jakobsweg-und-europaeische-identitaet/
16.05. Erinnerungsorte in
Spanien und Deutschland
23.05. Religion: ein heute oft unterschätzter Pfeiler von Kultur
30.05. Bildung: eine zentrale Ressource für Kultur und Gesellschaft
06.06. Pfingstmontag
13.06. Interkulturelle
Handlungskompetenz und Alltagskultur
20.06. Daten und Fakten: ein
wenig Empirische Sozialforschung
27.06. Wirtschaftskultur
in Spanien und Deutschland
04.07 Politische
Kultur in Spanien und Deutschland
11.07. Alte und neue
Migrationen in und zwischen Deutschland und Spanien
18.07. Kulturbeziehungen Deutschland-Spanien
22.07. Klausur
Die Unterlagen (vor
allem Power-Point als pdf) für die VL werden sukzessiv in Grips eingestellt
(Romanistik – Pöppel; Zugang „Kulturvergleich“)
Hinweis: Diese
Vorlesung ist für die DSS Pflichtbestandteil des Moduls DSS-M05:
Interkulturelle
Kommunikation für DSS. Für andere Studiengänge kann sie als VL
Kulturwissenschaft verwendet werden. Sie kann aber weder die Einführende Vorlesung
in die Romanische Kulturwissenschaft (diese sei für DSS dringend empfohlen),
noch die Übung Grundlagen der Landeskunde (bisher Einführung in die
Kulturwissenschaft Spaniens) ersetzen!
Auswahlbibliographie zur Vorlesung
Hier werden nur einige Grundlagenwerke aufgelistet. Auf
spezielle Titel für einzelne Stunden und Themenbereiche werde ich jeweils gesondert verweisen. Für
eine umfassende Bibliographie zu Spanien s.a. die Homepage des
Forschungszentrums Spanien – Spanische Kulturwissenschaft: https://www.uni-regensburg.de/sprache-literatur-kultur/romanistik/institut/spanienzentrum/spanischekulturwissenschaft/index.html
Bernecker,
W. L. Hrsg. (2008). Spanien heute: Politik, Wirtschaft, Kultur (5. Aufl.).
Frankfurt/M.: Vervuert.
Bolte, R. et al. Hrsg. (2018). La Hispanística
y los desafíos de la globalización en el siglo XXI. Madrid: Iberoamericana.
Born,
J. et al. Hrsg. (2011). Handbuch Spanisch. Sprache, Literatur, Kultur,
Geschichte in Spanien und Hispanoamerika, Berlin: Schmidt.
Breuer,
T. (2008). Iberische Halbinsel. Geographie, Geschichte, Wirtschaft, Politik.
Darmstadt: WBG.
Collado
Seidel, C.; König, A. (2002). Spanien mitten in Europa: Zum Verständnis der
spanischen Gesellschaft, Kultur und Identität. Frankfurt/M.: IKO.
Colmeiro, J., Hrsg. (2015). Encrucijadas globales.
Redefinir España en el siglo XXI. Madrid:
Iberoamericana.
Dahms,
M. (2011). Spanien: Ein Länderporträt.
Berlin: Links.
François,
E.; Schulze, H. Hrsg. (2005). Deutsche
Erinnerungsorte. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung (Kurzfassung).
Gimber,
A. (2007). Kulturwissenschaft Spanien (2. Aufl.). Stuttgart: Klett.
Gimber,
A. u.a. Hrsg. (2012). Spanien verstehen, Darmstadt: WBG.
Ingendaay, P. (2021). Gebrauchsanweisung für Spanien.
München: Piper (aktualisierte Neuauflage).
Kamen, H. (2020). La
invención de España. Barcelona: Planeta.
Matthes, J. Hrsg. (1992). Zwischen den Kulturen. Die Sozialwissenschaften vor dem Problem des
Kulturvergleichs. Göttingen: Otto Schwarz.
Mecke,
J. u.a. Hrsg. (2012). Deutsche und
Spanier, ein Kulturvergleich. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.
Mecke,
J.; Pöppel, H. (2016). Entre dos aguas.
Kulturvermittler zwischen Spanien und Deutschland. Berlin: tranvía.
Nohlen,
D.; Hildenbrand, A. (2005). Spanien: Wirtschaft, Gesellschaft, Politik; ein
Studienbuch. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaft.
Olmos,
I., Keilholz-Rühe, N. Hrsg. (2009). Kultur des Erinnerns. Vergangen-heitsbewältigung
in Spanien und Deutschland. Frankfurt/M.: Vervuert.
Padilla Gálvez, J.; Gaffal, M. (2005). Spanienknigge: Sozioökonomische Einführung in die
Interkulturalität. München:
Oldenbourg.
Rehbein,
R. et al (2009). Beruflich in Spanien.
Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht.
Resina, J. R.; Winter, U. Hrsg. (2005). Casa encantada. Lugares de memoria en la
España constitucional 1978-2004. Frankfurt/M.:
Vervuert.
Rupp,
A. et al. Hrsg. (2011). Spanien von innen
und außen. Eine interkulturelle Perspektive. Berlin: Lit.
Schmidt,
P. Hrsg. (2004). Kleine Geschichte Spaniens. Stuttgart: Reclam.
Springer,
B. F. W. Hrsg. (2015). La comunicación
hispano-alemana. Por qué no nos entendemos y cómo conseguirlo. Kassel: Reichenberger.
Welsch,
W. (2017). Transkulturalität. Realität –
Geschichte – Aufgabe. Wien: nap.
Werz,
N.; Gratius, S. (2017). Spanien.
Schwalbach: Wochenschau Verlag.
Zelik,
Raul (2018). Spanien. Eine politische Geschichte der Gegenwart.
Berlin: Bertz & Fischer.