Die sich im Jahre 2015 zum 600. Mal jährende Verbrennung des böhmischen Predigers Jan Hus auf dem Konstanzer Konzil löste in seiner Heimat einen religiös motivierten Konflikt aus, der sich zeitweise zu einem revolutionären Flächenbrand auf große Teile Mitteleuropas ausdehnte. Die Reformatoren des 16. Jahrhunderts wie Martin Luther oder Johannes Calvin beriefen sich später demonstrativ auf das geistige Erbe des Prager Kirchenreformers, das im frühneuzeitlichen Böhmen bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges in verschiedenen Strömungen lebendig blieb. Erst die nach der Schlacht am Weißen Berg (1620) von den siegreichen Habsburgern vorangetriebene Rekatholisierung führte zu einer Neuordnung der konfessionellen Landkarte Mitteleuropas. Zahlreiche böhmische Protestanten konvertierten oder flohen als Glaubensflüchtlinge in die angrenzenden Territorien, wo sich ihre Spuren teilweise noch heute nachvollziehen lassen.
Im Mittelpunkt des Proseminars steht die Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten in der Epoche der Frühen Neuzeit anhand authentischer Quellenmaterialien (Recherche, Bibliographieren, Quellenarbeit). Ausgehend von der Frage nach den Protagonisten und den Programmen der religiös-revolutionären Bewegungen im vormodernen Böhmen wird zugleich auch der erkenntniserweiternde Vergleich mit anderen reformatorischen Strömungen (Lutheraner, Calvinisten, Herrnhuter) der Frühen Neuzeit gesucht.
Lit.
Bahlcke, Joachim, Geschichte Tschechiens. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, München, 2014.
Eberhard, Winfried, Konfessionsbildung und Stände in Böhmen 1478-1530, München/Wien, 1981.
Hoensch, Jörg K., Geschichte Böhmens. Von der slawischen Landnahme bis zur Gegenwart, 4. Aufl., München, 2013.
Just, Jiří, Jan Hus, in: Bahlcke, Joachim u. a. (Hrsg.), Religiöse Erinnerungsorte in Ostmitteleuropa. Konstitution und Konkurrenz im nationen- und epochenübergreifenden Zugriff, Berlin, 2013, 637-648.
Seibt, Ferdinand, Deutschland und die Tschechen. Geschichte einer Nachbarschaft in der Mitte Europas, München/Zürich, 1997.