„Im Tod sind alle gleich.“ Dieses berühmte Diktum Senecas stimmt insoweit, als dass jeder Mensch mit dem Ende seines Lebens zu rechnen hat. Der Weg zum Tod (und der Umgang mit ihm) ist jedoch von großer Varianz geprägt. Während in den (post-)modernen Gesellschaften Europas nur ein niedriger einstelliger Prozentsatz der Menschen Infektionskrankheiten zum Opfer fällt, so waren diese in der Frühen Neuzeit für bis zu 50 Prozent – in Zeiten größerer Epidemien lokal sogar bis zu 80 Prozent – aller Tode verantwortlich. Seuchen wie die Pest, Lepra, Syphilis, Typhus, Pocken, Fleckfieber und Ruhr führten nicht nur zu massenhaftem Sterben, sondern stellten enorme organisatorische, religiöse, demographische und politische Herausforderungen für vormoderne Gesellschaften zwischen 1500 und 1800 dar, die deren Verfasstheit und langfristige Entwicklung tiefgreifend beeinflussten.
Die Übung widmet sich den vielfältigen obrigkeitlichen Abwehrstrategien und umfassenden Bewältigungsstrategien gegenüber Bedrohungen dieser Art: von Quarantäne, Isolation und Gesundheitspolitiken über Bittprozessionen und Bußrituale bis hin zu literarischen Verarbeitungen, Schuldzuweisungen, Stigmatisierung, Verschwörungstheorien und gesellschaftlicher Ausgrenzung. Anhand zeitgenössischer Quellen und aktueller Forschungsliteratur untersuchen wir, wie frühneuzeitliche Akteure Krankheit interpretierten, kommunizierten und kontrollieren wollten – und was uns das über ihre Weltbilder, Mentalitäten, frühneuzeitliche Machtstrukturen und die soziale Dynamik dieser faszinierenden Epoche verrät.