Bereits die Literatur des Hochmittelalters zeichnet ein sehr facettenreiches Bild von manheit. Männer werden nicht nur als machtbewusst, aggressiv und kampfesmutig dargestellt, sondern auch als höfisch-galant, empathisch und gefühlvoll oder auch als angsterfüllt, verletzlich, hilflos. Aber welche Eigenschaften machten einen Mann in den mittelalterlichen Narrativen zum „Helden“? Die erzählenden Texte des Hoch- und Spätmittelters liefern ein weites Spektrum an Antworten, indem sie zeithistorische Denkmuster abbilden, reflektieren, hinterfragen und manchmal auch durchbrechen. Im Seminar werden wir anhand der Lektüre mittelhochdeutscher Texte unterschiedlicher Gattungen (Artusroman, Heldenepos, Märendichtung) verschiedene Männlichkeitsentwürfe in den Blick nehmen und dabei unter anderem den (vermeintlichen?) Zusammenhang von biologischer Verfasstheit und sozialer Rolle sowie die Funktion der entsprechenden Männlichkeitskonzepte für die jeweiligen Narrative untersuchen. Teilnehmer:innen sollten die Bereitschaft zur umfangreichen Lektüre mittelhochdeutscher Texte mitbringen. Die Kenntnis folgender Texte zu Semesterbeginn (Textkenntnisklausur!) wird vorausgesetzt: Hartmann von Aue ´Erec`, Wolfram von Eschenbach ´Parzival`, ´Kudrun`. Weitere Texte werden im Laufe des Semesters (in Ausschnitten) auf GRIPS bereitgestellt.
Neben einer Einführung in die Grundlagen und Methoden der germanistischen Mediävistik bietet die Vorlesung einen Einblick in die erste Phase der deutschen Literaturgeschichte, die mit der Herausbildung einer volkssprachlichen Schriftlichkeit Mitte des 8. Jahrhunderts beginnt: Es wird ein Überblick über die verschiedenen Textsorten und Gattungen von der althochdeutschen Übersetzungsliteratur bis zur Märendichtung der spätmittelhochdeutschen Zeit gegeben. Darüber hinaus werden kulturelle und mediale Voraussetzungen (z.B. das Mittelalter als Handschriftenkultur), bildungs- und sozialgeschichtliche Aspekte (z.B. Rezeptionsformen mittelalterlicher Literatur) sowie der kulturelle Handlungsrahmen mittelalterliche Literatur thematisiert (z.B. das christliche Literatur- und Weltverständnis des Mittelalters, Grundlagen der mittelalterlichen Gesellschaft und der höfischen Kultur sowie des hochmittelalterlichen Literaturbetriebs).