Die Praxis des Reisens ist eine Konstante menschlicher Bewegung im Raum. Die Idee, sich dabei auch temporär in die Vergangenheit versetzen zu können, spielt dabei eine zunehmend große Rolle und kulminiert im gegenwärtigen Phänomen des Geschichtstourismus. Das Seminar beschäftigt sich mit der grundsätzlichen Frage, wie Geschichte und Tourismus miteinander verwoben sind. Es befragt die historischen Wurzeln des modernen Geschichtstourismus und analysiert Formen und Praktiken von Reisen zu historischen Orten: von der klassischen Bildungsreise bis zum Dark Tourism, von der Grand Tour bis zum Ruin Porn. Wie wird in diesen Formaten Geschichte vermittelt und Vorstellungen von Authentizität verhandelt und hergestellt? Dabei sind wir immer wieder mit den Kernfragen befasst, ob bei diesen Reisen historisches Erkenntnis(-interesse) und Erlebnis(-charakter) Motivationsanlässe sind; ob bei diesen Reiseformen Wissen entsteht oder ob sie schlicht das (Neben-)Produkt einer konsequenten Kommerzialisierung der Tourismusindustrie darstellen. Das Seminar ist mit mindestens einer (idealerweise mehreren) ganztägigen Exkursion(en) verknüpft.
Die Oberpfalz zählt nicht zu den Standardregionen, wenn das Thema Deindustrialisierung und Strukturwandel wissenschaftlich oder in der öffentlichen Debatte verhandelt wird. Dennoch – oder gerade deshalb – lohnt sich ein genauerer Blick. Im Projektseminar wollen wir diese post-industrielle Kulturlandschaft erkunden und dabei das Kultur-Schloss Theuern in den Fokus rücken. Im Mittelpunkt steht der Aspekt der Annäherung an das industriekulturelle Kulturerbe der Gegenwart: Wie wird im Museum in Theuern die Geschichte der Industrialisierung und des Strukturwandels der Region erzählt und inszeniert? Welches Narrativ entsteht mit Hilfe welcher musealen Mittel? In welche größeren narrativen Zusammenhänge ist die museale Erzählung in Theuern eingebunden, von welche hebt sie sich ab? Neben der gegenwartsbezogenen Analyse interessieren uns ferner die Ursprünge und Anfänge der heute etablierten Erzählungen und Inszenierungen zur industriellen Entwicklung und ihres Niedergangs. Dafür werden wir uns in einer historischen Betrachtung den Anfängen des Strukturwandels zuwenden und danach fragen, welche Ideen und Pläne zu Beginn des Strukturwandels in den 1970er und in den 1980er Jahren in der Region diskutiert wurden, um diesen zu gestalten, Folgen zu mildern und der Region eine Vision für die Zukunft einzuschreiben. Welche Rolle wurde der Inwertsetzung der Vergangenheit als industriekulturelles Erbe damals zugedacht? Wurden Kultur und Heritage überhaupt als identitätsrelevante Faktoren und tourismusfördernde Konzepte diskutiert oder handelt es sich bei diesen Ansätzen um ein neueres Konzept der Regionalentwicklung? Für diese historische Analyse möchten wir die Bestände des Museumsarchives sichten, um konkrete Zielsetzungen, Planungen, Konzepte der damaligen Zeit herausarbeiten und kontextualisieren zu können. Dabei geht es auch um die Frage, ob es konkurrierende Vorstellungen unterschiedlicher Akteur*innen gab und welche Konzepte sich aus ihrer Sicht als machbar und praktikabel erwiesen haben. Am Ende des Projektseminars sollen die Studierenden die Ergebnisse der Recherche in einer kleinen Ausstellung im Museum präsentieren. Für die Studierenden bietet dies die ideale Möglichkeit, Erfahrungen darin zu sammeln, wie Wissen aufgearbeitet werden muss, um im Format einer Ausstellung Wirksamkeit entfalten und die avancierten Zielgruppen erreichen zu können. Für das Museum bietet dieses Vorgehen den Mehrwert, Besucher*innen Einblicke in die Entstehungsgeschichte des Hauses zu geben und somit eine breitere Kontextualisierung der erzählten Geschichten zu gewährleisten.