Hauptbereich Philosophie, Kunst-, Geschichts- und Gesellschaftswissenschaften

Im 15. bis 17. Jahrhundert formierten sich an den Flüssen der Steppengrenze auf dem Gebiet der heutigen Staaten Russland und Ukraine Kriegergemeinschaften, die sogenannten Kosaken. Das Seminar stellt die Entstehung und Entwicklung kosakischer Lebenswelten in den Mittelpunkt. Es beleuchtet das zwiespältige Verhältnis Russlands und Polen-Litauens zu den Kosaken. Diese waren als Grenzwächter, Militärkraft und Agenten zarischer Kolonialherrschaft im Süden Russlands und in Sibirien geschätzt, als Unruheherd aber gefürchtet. Als Anführer frühneuzeitlicher Volksaufstände in Osteuropa verbreiteten sie Angst und Schrecken. Erst als das Russländische Imperium die Kosaken zu einer privilegierten Militärkaste machte, gelang es, ihr aufrührerisches Potential unter Kontrolle zu bringen. Die Kosaken stellten sich in den Dienst der Autokratie und galten konservativen Kreisen als „treue Diener des Zaren“, der liberalen Öffentlichkeit als „willfährige Schergen des Zarismus“. In den 1920er Jahren bezahlten die Kosaken schließlich ihre Loyalität zum untergegangenen Imperium mit der Zerstörung ihrer sozialen, kulturellen und politischen Grundlagen durch die Bol’ševiki. Erst in der späten Sowjetunion konnte wieder öffentlich an die Traditionen des Kosakentums angeknüpft werden. Schließlich griff die 1991 unabhängig gewordene Ukraine auf kosakische Symbole zurück und förderte den Mythos von den Kosaken als Begründer der ukrainischen Nation und Staatlichkeit.

Das Seminar fragt nach den Gründen für die diametral entgegengesetzten Bewertungen der Kosaken in der russischen, ukrainischen und polnischen Geschichtsschreibung. Zudem stellt es verflechtungsgeschichtliche und transkulturelle Ansätze vor, als deren Objekt sich die Kosaken anbieten.

 

In the 15th-17th centuries, warrior communities, the so-called Cossacks, formed along the rivers of the steppe frontier on the territory of the present-day states of Russia and Ukraine. The seminar focuses on the emergence and development of Cossack life worlds. It illuminates the ambivalent relationship of Russia and Poland-Lithuania to the Cossacks. The Cossacks were valued as border guards, military forces, and agents of tsarist colonial rule in southern Russia and Siberia, but feared as troublemakers. As leaders of rebellions in Eastern Europe, they spread fear and terror. Only when the Russian Empire made the Cossacks a privileged military caste did it succeed in bringing their rebellious potential under control. The Cossacks placed themselves in the service of the autocracy and were considered "loyal servants of the tsar" by conservative circles, and "compliant henchmen of tsarism" by the liberal public. In the 1920s, the Cossacks finally paid for their loyalty to the fallen empire with the destruction of their social, cultural and political foundations by the Bolsheviki. It was not until the late Soviet Union that Cossack traditions could be publicly resumed. The Ukraine, which became independent in 1991, finally made use of Cossack symbols and promoted the myth of the Cossacks as the founders of the Ukrainian nation and statehood.

The seminar explores the reasons for the diametrically opposed interpretations of the Cossacks in Russian, Ukrainian and Polish historiography. In addition, it introduces approaches to entangled history and transcultural approaches.

 

Literatur: Boeck, Brian J.: Imperial boundaries. Cossack communities and empire-building in the age of Peter the Great. Cambridge, New York 2009 (= New studies in European history); Kappeler, Andreas: Die Kosaken. Geschichte und Legenden. Orig.-Ausg. München 2013 (= Beck'sche Reihe, Bd. 2768); Witzenrath, Christoph: Cossacks and the Russian Empire, 1598-1725. Manipulation, rebellion and expansion into Siberia. London, New York 2007.

 

Prüfungsform: Referat, Hausarbeit


Liste der Kurse des Bereiches Kosaken

  • Kosaken im Osteuropa der Vormoderne