Wie verschlüsselt ein literarischer Text seine Botschaften und seine poetische Wirkung, wenn er sich vor Ideologisierung, Politisierung oder Zensur verbergen oder abgrenzen möchte? In Osteuropa galt dies als wichtige intellektuelle Überlebensfrage während des Kalten Krieges. Im Seminar werden wir verschiedene Lösungen besprechen, die rumänische, rumäniendeutsche und jüdische Schriftsteller gefunden haben, um ihre Ansichten über das Individuum in der Gesellschaft und über die Rolle der Kultur und des Künstlers in Auseinandersetzung mit einer offiziellen Kulturideologie in Rumänien (1948-1989) darzustellen. Gelesen und besprochen werden u.a. Herta Müller, Mircea Cartarescu und Norman Manea. Die ausgewählten Werke wurden häufig entweder dokumentarisch als Einblick in den Alltag oder poetisch als ästhetischer Rückzug ins Private interpretiert. Das Seminar möchte darüber hinaus auf nicht ausgedrückte Ebenen der Lektüre, auf kontextspezifische Inhalte und Ausdrucksformen, und auf verschiedene Funktionen der Ästhetik jenseits der Vermittlung oder der Steigerung von Emotionen aufmerksam machen. Wir werden uns neben einer Lektüre im Hinblick auf den Entstehungskontext u.a. auch der Frage widmen, inwiefern diese Texte jenseits ihres ursprünglichen Raumes und ihres ursprünglichen Zielpublikums den heutigen Leser noch ansprechen. Rumänisch-Kenntnisse, Faktenwissen zur historisch-gesellschaftlichen Konstellation des ehemaligen Ostblocks und Kenntnisse über die Arbeitsmethoden der Literaturwissenschaft sind nicht notwendig, aber von Vorteil.