Abschaffung der Leibeigenschaft, Annexion der Krim, Bau der Transsibirischen Eisenbahn, nationale Bewegungen, Gründung Wladiwostoks, Fabrikarbeit, verstärkte Alphabetisierung, Presse- und Redefreiheit, Verwaltungsreformen – das sind nur einige Eckpfeiler, die den tiefgreifenden Wandel abstecken, der sich „im langen 19. Jahrhundert“ in Russland vollzog. Das 19. Jahrhundert war für Russland, wie für viele andere Regionen der Welt, eine Zeit rasanter Veränderungen hin zu dem, was wir heute oft als „(Industrie-)Moderne“ bezeichnen. Gleichzeitig wirkten jahrhundertealte Praktiken und Traditionen im riesigen Russländischen Reich nach. Dieses Spannungsverhältnis zwischen Aufbruch und Persistenz von der Herrschaft Katharinas der Großen bis hin zur Oktoberrevolution steht im Zentrum des Proseminars. Wir nähern uns ihm aus sozial-, kultur-, politik- und umweltgeschichtlichen Perspektiven an und verfolgen die Wandlungsprozesse bis hinein in die Geschichte des alltäglichen Lebens. Wie vollzog sich der Wandel und wie wirkte er sich in unterschiedlichen sozialen Milieus und Räumen – in der Stadt und auf dem Land, im Zentrum und an der Peripherie aus? Welche Rolle spielte es dabei, dass es sich um ein Vielvölkerreich handelte? Dabei behalten wir auch den globalen Kontext im Auge und suchen nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu Entwicklungen in anderen Weltregionen.