Das Seminar wendet sich kanonischen Texten der französischen Literatur zu, die sich mit der Frage der Dummheit (bêtise) befassen und dabei philosophische, psychologische und soziologische Diskussionen über die Schwächen und blinden Flecken des Intellekts aufgreifen oder gar vorwegnehmen.
Nach einer ersten Auseinandersetzung mit der Frage »Qu'est-ce que la bêtise?«, mit der die Dummheit als Figur der Spiegelung und der (Selbst-)Reflexion eingeführt wird (Gilles Deleuze, Jean-Luc Nancy), widmen wir uns folgenden Fragekomplexen:
- Aus gendertheoretischer Sicht behandeln wir die bêtise in Komödien und Erzählungen, wo sie als ein angebliches weibliches Attribut auftaucht.
- Gesellschaftstheoretisch wird die bêtise als Eigenschaft untersucht, die in Romanen und Erzählungen bestimmten sozialen Klassen und Gruppen – v.a. (Spieß)bürgern und Bauern) zugeschrieben wird.
- Wissensgeschichtlich analysieren wird das Wechselverhältnis von bêtise und bestialité in kriminalanthropologisch informierten Romanen (v.a. des Naturalismus).
- Abschließend nehmen wir vor dem Hintergrund der animal studies den être bête als Figur in den Blick, die es Autor*innen ermöglicht, aus der Perspektive von Tieren eine verfremdende, gesellschaftskritische Beobachtungsposition einzunehmen.
Zur Vertiefung dieser Fragenkomplexe befassen wir uns mit Texten kanonischer Autor*innen der französischen Literatur (z.B. Molière, Gustave Flaubert, Émile Zola, Sidonie-Gabrielle Colette) aus dem Zeitraum vom 17. bis zum 20. Jahrhundert.
Ziel des Proseminars ist es, nicht nur literaturhistorisches Wissen über verschiedene Epochen und Gattungen zu erwerben, sondern auch literaturwissenschaftliche Methoden zu erlernen (close reading, Formulierung wissenschaftlicher Thesen, Analyse literarischer Texte auf der Grundlage theoretisch fundierter Fragestellungen).