Eine der
bekanntesten liberalen Fiktionen besagt zwar, dass Sport und Politik zu trennen
seien, gleichwohl aber sind die Problemkreise, bei denen gerade der Fußball als
politisch relevantes, hochbrisantes Phänomen evident wird, überaus zahlreich.
Ob es sich dabei eher um ,Begleiterscheinungen‘ handelt wie etwa die Gewalt in
den Stadien, die Radikalisierung der Fan- und Hooligan-Szene, die verbreitete
Korruption im Funktionärswesen, die Selbstinszenierung autoritärer Machthaber durch
die Ausrichtung sportlicher Großveranstaltungen bzw. das globale
Transfersystem, das Kritiker schon länger mit modernem Menschenhandel
vergleichen, oder aber um Aspekte, die das ,Fußballspiel‘ selbst als
lohnenswerten Gegenstand politiktheoretischer Reflexionen demonstrieren, will
der Kurs klären.
Im Fokus
steht insbesondere die Frage, inwieweit der Fußball mit seinem Changieren
zwischen Fairness und (Doping-)Betrug, Kommerzialisierung und
Traditionsverbundenheit der heutigen politischen Gesellschaft lediglich einen
Spiegel vorhält (der sich z. B. in der Unterscheidung von ,rechtem‘ und
,linkem‘ Fußball niederschlägt) oder ob der Fußball vielmehr progressiv (z. B.
bei den Themen Integration und Feminismus) bzw. reaktionär (z. B. im Hinblick
auf Rassismus und Homophobie bzw. als postkolonialer Machtzusammenhang) auf das
Gemeinwesen einwirkt. Überdies ist kritisch zu diskutieren, inwieweit der
Fußball heute als positive Resonanzachse der Gesellschaft andere,
konfliktanfälligere Ressourcen kollektiver Identität wie Nationalismus oder
Religion entschärft oder ob auch der ,Party-Patriotismus‘ bei näherem Hinsehen
keineswegs harmlos ist und der Fußball als moderner ,Gladiatorenkampf‘ ohnehin
nur von dekadenten sozialen Strukturen ablenken soll.
Diesen und
anderen Themenbereichen rund um den Fußball als „Paradoxon der Moderne“ (Müller
2009) will sich der Kurs u. a. mit Hilfe politiktheoretischer und
soziologischer Ansätze von Carl Schmitt, Norbert Elias, John Rawls, Michel
Foucault, Niklas Luhmann, Axel Honneth, Hartmut Rosa oder Andreas Reckwitz
nähern und sie empirisch sowohl anhand von historischem Material als auch mit
Blick auf die im Winter 2022 stattfindende Weltmeisterschaft in Katar aktuell
überprüfen.
Die Veranstaltung richtet sich an
fortgeschrittene Studierende des Bachelorstudiengangs Politikwissenschaft. Als
Leistungsnachweise dienen aktive Mitarbeit, ein Impulsreferat sowie die
Anfertigung einer ca. 15-20-seitigen, projektbezogenen Hausarbeit.
Empfohlene Literatur zur Einführung:
Bausenwein, Christoph: Geheimnis Fußball. Auf den
Spuren eines Phänomens, Göttingen 2006.
Galeano, Eduardo: Der Ball ist rund,
Zürich 2014.
Müller,
Marion: Fußball als Paradoxon der Moderne. Zur Bedeutung ethnischer,
nationaler und geschlechtlicher Differenzen im Profifußball, Wiesbaden
2009.