Geschichte verkauft sich glänzend – auf Mittelaltermärkten, in
szenischen Stadtführungen und nicht zuletzt auch in der Aufführung
historischer Festspiele. Bayern hat hier eine reiche Tradition,
etabliert vom städtischen Bürgertum im historistischen 19. Jahrhundert,
teilweise bewusst gefördert von Staat und Königen, fortgeführt im 20.
Jahrhundert und sehr erfolgreich vermarktet bis in die heutige Zeit.
Further Drachenstich, Landshuter Hochzeit, Rothenburger Meistertrunk
oder die Oberammergauer Passionsspiele sind hier besonders prominente
Beispiele. Das Hauptseminar möchte dieses Phänomen untersuchen als
Spiegel für Mentalitäts- und Gesellschaftsgeschichte, in seiner Funktion
lokaler, regionaler, bayerischer oder nationaler Identitätsstiftung
über alle Systembrüche hinweg wie als ökonomischen Verkaufs- und
Werbeschlager. Außerdem soll das Thema methodisch reflektiert und
eingebettet werden in aktuelle Diskussionen um „Living History“ und
„Reenactment“ als Teil und Ausdrucksform von Geschichtskultur und Public
History.
Literaturhinweise:
Hubert Glaser, Die gegenwärtige Konjunktur historischer Feste in Bayern.
Bemerkungen zur Regionalisierung der öffentlichen geschichtlichen
Erinnerung, in: Erwin Riedenauer (Hg.), Vermittlung der Geschichte,
Bozen 1989, S. 39-50. – Wolfgang Lang, Historische Feste in Bayern.
Entstehung und Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert, Neuried 2001. –
Karl Borromäus Murr, Das Mittelalter in der Moderne. Die öffentliche
Erinnerung an Kaiser Ludwig den Bayern im Königreich Bayern, München
2008. – Helmut Seitz, Gespielte Geschichte, Pfaffenhofen 1990. –
Ulla-Britta Vollhardt, Staatliche Heimatpolitik und Heimatdiskurse in
Bayern 1945-1970. Identitätsstiftung zwischen Tradition und
Modernisierung, München 2008. Vanessa Agnew u.a. (Hg.), The Routledge
handbook of reenactment studies, London/New York 2021. – Helmut
Groschwitz, Authentizität, Unterhaltung, Sicherheit. Zum Umgang mit
Geschichte und in Living History und Reenactment, in: Bayerisches
Jahrbuch für Volkskunde 2010, S. 141-155. – Felix Hinz/Andreas Körber
(Hg.), Geschichtskultur, Public History, Angewandte Geschichte,
Göttingen 2020, S. 167-197, 304-325. – Michael Maurer, Feste und Feiern
als historischer Forschungsgegenstand, in: Historische Zeitschrift 253
(1991), S. 101-130. – Wolfgang Hardtwig u.a. (Hg.), History Sells!
Angewandte Geschichte als Wissenschaft und Markt, Stuttgart 2009.