Ehen und Paarbeziehungen erscheinen
insbesondere seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Hauptschauplätze
eines kontinuierlichen Wandels der Verhältnisse zwischen den Geschlechtern: Liberalisierungsprozesse
trugen zur Entstigmatisierung und Legalisierung vorehelicher und queerer
Sexualität bei, das bürgerliche Ideal der romantischen Liebe avancierte zum
zentralen Heiratsmotiv, die Leitmetapher der „Partnerschaft“ brachte –
zumindest auf ideeller Ebene – in den 1970er-Jahren das Streben nach mehr
Gleichberechtigung zum Ausdruck und auch die Pluralisierung der
Beziehungsformen schritt voran.
Jener Wandel
erfolgte jedoch nicht radikal und schlagartig, sondern war stets eingebettet in
„langfristige konfliktbehaftete Aushandlungsprozesse“ (Neumaier 2019). So
mündete die „sexuelle Revolution“ im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts nicht
unmittelbar in einer Erosion von Sexualkonservatismen, und auch gegenwärtige
Diskurse um den Gender-Care-Gap oder Mental Load führen scharf vor Augen, dass
das Ziel einer geschlechteregalitären Arbeitseinteilung in der Alltagspraxis
zumeist schwer erreichbar bleibt.
Trotz der üppigen interdisziplinären
Forschungslandschaft zur Geschlechter- und Sexualitätsgeschichte liegt ein
Mangel an empirischen Forschungen zu Paarbeziehungen in der jüngeren
Vergangenheit vor, welche alltagskulturelle Facetten des Paar-Werdens und
-Seins zentrieren und nach Divergenzen zwischen Idealen und gelebten
Wirklichkeiten fragen.
Das geplante Hauptseminar knüpft an
dieses Desiderat an: Einer diachronen Perspektive folgend, die sich vom Ende
des Zweiten Weltkriegs bis in die Gegenwart erstreckt, nähern sich die
Teilnehmenden dem Spannungsfeld von gedachten und gelebten Beziehungen in
Bereichen des Kennenlernens, des Paaralltags sowie der Sexualität; dabei
greifen sie mittels historisch-archivalischer Zugänge, lebensgeschichtlicher
Interviews und Medienanalysen auf ein breites methodisches Spektrum zurück.