Bereits die zweite Welle der
Frauenbewegung der späten 1960er- und 1970er-Jahre skandierte: „Das Private ist
politisch“. Dass Sexualität im Kern des Privaten verortet ist, macht sie jedoch
keineswegs zu einem (kultur)wissenschaftlichen Nischenthema – sie stellt ein
kulturell überformtes, sozial organisiertes und mit Herrschaftsmechanismen
verzahntes Phänomen dar: Medizin, Staat, Recht, (digitale) Technologien,
Ökonomie, Gesundheit oder Religion sind nur einige der zahlreichen
Determinanten, die das Sprechen über und das Praktizieren von Sexualität auf
Makro- und Mikroebenen prägen (Koch).
Innerhalb der Vergleichenden
Kulturwissenschaft nahmen sich bereits in den 1980er- und 1990er-Jahren einige
Publikationen der aufklärerischen Pathologisierung von Onanie im 18.
Jahrhundert (Braun) an oder beschäftigten sich mit Sexualmoralen und -praxen am
Beispiel von Unterschichten im 19. und frühen 20. Jahrhundert (Lipp; Kienitz).
Während primär Nachwuchswissenschaftler:innen und Studierende reges Interesse
an Sexualität betreffenden Fragestellungen zeigen, sind zentrale Studien, die
sich der Sexualität in ihren alltagskulturellen Dimensionen historisch wie
gegenwartsorientiert zuwenden, inzwischen rar gesät – an dieses Desiderat
knüpften auch die 33., 2021 in Hamburg ausgerichtete DGV-Studierendentagung
„Sex.Sex.Sex. Kulturwissenschaftliche Höhepunkte und Abgründe“ sowie der aus
ihr hervorgehende Tagungsband an.
Das
Hauptseminar nimmt eine theoretische wie historische Fundierung jenes
vulnerablen Themenfelds vor. Einer diachronen Perspektive folgend, die sich von
der Mitte des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart erstreckt, erforschen die
Teilnehmenden Wissensproduktionen über Sexualität, das Spannungsfeld von Norm
und Praxis, nicht-lineare Prozesse der Liberalisierung, die Kommodifizierung
von Körpern sowie die Wirkmacht sexuellen Kapitals. Dabei greifen sie mittels
historisch-archivalischer Zugänge, qualitativer Interviews, Medienanalysen und
Social-Media-Ethnografien auf ein breites methodisches Spektrum zurück.