Erinnerungskulturelle Debatten und geschichtskulturelle Produkte bestimmen unser Denken über Geschichte gegenwärtig grundlegend. Beispiele aus den letzten Jahren im bundesdeutschen Kontext sind Kontroversen über die Aufarbeitung des kolonialen Erbes, Debatten über den Umgang mit der Lücke, die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen der Shoah hinterlassen, oder Forderungen nach einer Erweiterung der Erinnerungskultur um postmigrantische Perspektiven. Auch Lernende kommen in ihrer digital geprägten Lebenswelt mit Geschichte vor allem in geschichts- und erinnerungskulturellen Formaten in Kontakt. Zu nennen sind digitale Geschichtsnarrationen in den Sozialen Medien, v.a. zur Erinnerung an die Shoah, geschichtsbezogene Computerspiele sowie manipulative Geschichtsdarstellungen auf Videoplattformen wie YouTube.Ziel des Seminars ist es, eine Einführung in zentrale Konzepte und Zugriffe der Geschichts- und Erinnerungskulturforschung zu geben und anhand konkreter Beispiele das didaktische Potenzial der kritischen Auseinandersetzung mit Geschichts- und Erinnerungskultur im Geschichtsunterricht zu diskutieren.
Unter Bezugnahme auf das Projekt „Verflechtungen. Koloniales und rassistisches Denken und Handeln im Nationalsozialismus“ (vgl. https://www.verflechtungen-kolonialismus-nationalsozialismus.de/start.html) setzt sich das Seminar mit der Frage auseinander, wie man das Themengebiet Nationalsozialismus in verflechtungsgeschichtlicher Perspektive mit der deutschen und europäischen Kolonialgeschichte verbinden kann.
In einem ersten Schritt werden zentrale Begriffe (wie Rassismus und Antisemitismus) und Konzepte (wie Verflechtungsgeschichte) definiert. Anschließend sollen – mit einem Fokus auf biographische Zugänge und die Debatte um den Ostkrieg als Kolonialkrieg – Chancen und Grenzen eines verflechtungsgeschichtlichen Zugriffs auf Kolonialismus und Nationalsozialismus für die schulische und außerschulische Bildungsarbeit erläutert werden. Auf dieser Grundlage wird abschließend auf den „Historikerstreit 2.0“ und die Frage nach einer postulierten Erinnerungskonkurrenz zwischen Kolonialismus und Nationalsozialismus eingegangen. Hier soll gemeinsam diskutiert werden, inwiefern diese Kontroverse für die Bildungsarbeit fruchtbar gemacht werden kann.