Der Spanische Bürgerkrieg und die
anschließende Machtergreifung des faschistischen Militärs Francisco Franco
zwangen viele Menschen aus dem republikanischen Lager, ins Exil zu gehen und in
den verschiedensten Ländern Zuflucht zu suchen. Neben Frankreich, den
Vereinigten Staaten und der Sowjetunion wurden lateinamerikanische Länder wie
Mexiko, Argentinien, Kolumbien, Venezuela oder Kuba zu den bevorzugten
Zielländern der Geflüchteten. Einerseits, weil man in den hispanophonen Ländern
nicht mit dem Verlust der Sprache konfrontiert ist, der für das Leben in einem
fremden Land üblich ist. Andererseits, weil in einigen Gastländern (z.B. in
Mexiko) die politischen Machthaber bereits während des Bürgerkriegs die
republikanische Seite unterstützten und auch nach ihrer Aufnahme die
politischen, kulturellen und institutionellen Initiativen der Exilant*innen
staatlich fördern. Dennoch sind für die Exilant*innen die sozialen
Anpassungsprozesse und der Versuch ihre handwerklichen, politischen,
wissenschaftlichen und künstlerischen Berufe fortzuführen, nicht selten mit
Schwierigkeiten verbunden.
In dem Proseminar beschäftigen wir uns
mit den Werken von Schriftsteller*innen, Künstler*innen und Intellektuellen,
die in Lateinamerika ihre Werke imaginieren, produzieren und verbreiten, wobei
zu beachten ist, dass die Kulturschaffenden bei weitem nicht die größte
Berufsgruppe des spanischen Exils von 1939 bilden. Die thematische Vielfalt der
Werke der Exilkultur ist breit gefächert. Aus diesem Grund werden wir uns in
dem Proseminar auf die Analyse von Werken beschränken, in denen die
Exilant*innen einen ganz spezifischen Aspekt in den Mittelpunkt ihrer Arbeit
stellen: die Erfahrung des Exils. Ob in der Literatur, der Malerei oder dem
Film, in all diesen Bereichen (und darüber hinaus) finden sich Werke, in denen
die persönliche, kollektive und/oder universelle Dimension der Erfahrung des
Exils reflektiert oder zum Ausdruck gebracht wird. Es handelt sich dabei also
um ein wesentliches und kontinuierliches Merkmal der spanischen Exilkultur.
Um dieser Tatsache Rechnung zu tragen,
werden wir uns in dem Proseminar nicht nur mit literarischen Texten befassen,
sondern auch anderen Ausdrucksformen Raum geben. Die Auswahl der kulturellen
Artefakte, die wir im Rahmen des Seminars analysieren werden, reichen von
Essays von Denker*innen wie José Gaos bis hin zu den Gedichten von Luis
Cernuda, den Gemälden von Remedios Varo und einem Film von Jomí García Ascot.
Mit Blick auf den historischen, sozialen, politischen und kulturellen Kontext
der spanischen Exilkultur lassen sich folgende Leitfragen formulieren:
-
Wie denkt die Exilkultur den Begriff „Exil“?
-
Auf welche Weise bringen die Kulturschaffenden
in ihren Werken die Erfahrung des Exils zum Ausdruck?
-
Wie verhelfen die jeweiligen Ausdrucksformen
dazu, die Erfahrung des Exils auf eine ganz eigentümliche Art und Weise zu
verarbeiten?
-
Welche Motive können als Konstanten und welche
als Alleinstellungsmerkmale der einzelnen Beispiele verstanden werden?
-
Wie verarbeiten die Exilant*innen in ihren
Werken den Verlust des Heimatlandes?
-
Spielt dabei auch die Kultur des
Aufnahmelandes eine Rolle?
-
Auf welche Symbole, Metaphern und Denkfiguren
greifen sie zurück?
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Welche Rolle spielt gerade bei den in den
hispanophonen Ländern Lateinamerikas aufgenommenen Exilant*innen der Gedanke
der hispanischen Sprach- und Kulturgemeinschaft?
-
Führt das Exil zu einer Neubewertung der
kolonialen Vergangenheit?
Ein detaillierter Korpus, eine
Auswahlbibliographie zum spanischen Exil von 1939 im Allgemeinen und ein
Arbeitsplan zum Proseminar wird in der ersten Sitzung zur Verfügung gestellt.
Das in den Lehrveranstaltungen zu besprechende Text- und Bildmaterial wird in
gescannter Form auf die E-Learning-Plattform GRIPS hochgeladen.