Im 16. und 17. Jahrhundert wurden an den Höfen Europas Unsummen
ausgegeben, um Luxusgüter zu beschaffen und eine bestimmte Lebensart zu
zelebrieren. James Hay, Graf von Carlisle, gab zu Ehren des
französischen Botschafters 1621 ein Bankett, dessen 1600 Speisen er sich
über 3300 Pfund kosten ließ, was damals etwa dem Äquivalent eines
stattlichen Adelspalastes entsprach oder dem 3300fachen des
durchschnittlichen Jahresgehalts einer Dienstmagd. Sein König, Karl I.,
überlegte ungefähr zur gleichen Zeit, wie er die Pensionen seiner
Höflinge, die ein Drittel der Staatsausgaben ausmachten, kürzen könnte,
um mehr Geld für seine Kunstsammlung ausgeben zu können.
Die frühe Neuzeit scheint, am Konsumverhalten der Höfe gemessen, eine
Periode äußerster sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheit gewesen zu
sein. Doch dieses ganz Europa betreffende Phänomen rief die
unterschiedlichsten Reaktionen hervor. Einige Zeitgenossen prangerten
den Hof als Ort der Verschwendungssucht an, nahmen Höflinge und
Potentaten in Spotttraktaten ins Visier. Andere sahen in der Sucht nach
den schönen Dingen nichts Verwerfliches, sondern vielmehr die große
Chance, für die gesamte Gesellschaft mehr Wohlstand zu gerieren, weil
die Reichen vorlebten, wonach die Armen strebten – eine Dynamik die aus
ihrer Sicht unweigerlich Produktion und Handel antreiben musste und so
allen zu Gute kam.
Wir werden uns in dieser Übung auf die Spuren dieser unterschiedlichen
Wahrnehmungen des höfischen Konsumverhaltens begeben, die bis zum
heutigen Tag Wirtschafts- und Armutstheorien beeinflussen. Zugleich
tauchen wir über die Analyse der Prozesse, Akteure, Institutionen und
Dinge tief ein in die ambivalente Epoche der Frühen Neuzeit, die wir von
der Renaissance, über die „goldenen“ Zeitalter bis zur Frühaufklärung
durchschreiten werden.