"The past is a foreign country; they do things differently there" (J.P. Hartley) – tatsächlich, und inwiefern beim Handel mit Waren, Rohstoffen, Kapital, Arbeit und Boden? Auf jeden Fall ist der Austausch von materiellen oder immateriellen Gütern bzw. von „Geld” und damit das Wechselspiel zwischen Angebot und Nachfrage sowie die damit verbundene abstrakte Attribuierung von Wert(igkeit) das notwendige Kennzeichen einer jeden arbeitsteiligen Organisationsform menschlichen Zusammenlebens, wenn Individuen bzw. Kleingruppen nicht (mehr?) alles, was sie zum Leben brauchen, selbst herstellen können.
So gehörte zur mittelalterlichen Stadt quasi konstitutiv der „Markt“, dem man topographisch zentralörtliche, ökonomisch-infrastrukturelle und sozial-kommunikative Funktionen zuschreiben kann. Anhand von Fallstudien beschäftigen wir uns im Proseminar mit Markt und „Marktwirtschaft“ im Raum des Heiligen Römischen Reichs 1300-1800. Der Kurs wird in primär digitaler Form angeboten und hat einführenden Charakter: neben den fachlichen Inhalten werden die methodischen Grundlagen der Mittelalterlichen Geschichte (d.h. die Arbeit mit Quellen und Forschungen) vermittelt. In methodischer Hinsicht lernen wir quantifizierende wie narrative Ansätze kennen. Gleichermaßen widmen wir uns einer Einführung in das mediävistische Handwerkszeug.
Mittels praktischer Übungen vertiefen wir grundwissenschaftliche, v.a. paläographische Kenntnisse im kritischen Umgang mit ediertem und unediertem Quellenmaterial (bspw. Urkunden oder Rechnungsbücher aus Regensburger Archiven). Des Weiteren üben wir sachgerechte Literaturrecherche und -evaluation und den Umgang mit Datenbanken und Nachschlagewerken ein. Auf theoretischer Ebene setzen wir uns zunächst ideenhistorisch mit einer Einführung zu verschiedenen Kernthesen zu Phänomenen freier und/oder regulierter Märkte auseinander (bspw. von Smith, Marx, Mises, Polanyi, Hayek, Friedman u.a.) und erarbeiten vor diesem Hintergrund gemeinsam einen Überblick zum aktuellen Forschungsstand im (wirtschafts)historischen Fachdiskurs zum Spätmittelalter (mit Ausblick zur Frühen Neuzeit).
Konkret betrachten wir unterschiedliche Zugänge zu vormodernen Märkten:
- Der Markt als physischer Ort (etwa: Marktplatz/Schranne/Getreidekasten; städtebauliche Implikationen; kulturhistorische Rezeption etc.) und als Knotenpunkt vormoderner Infrastruktur;
- Akteure und Protagonisten des Marktgeschehens (Kaufleute und Kaufmannsgesellschaften in ihren überregionalen Netzwerken; Zünfte; Konsumenten etc.) sowie die gehandelten Objekte (gruppenspezifische Verbrauchsmuster; Aspekte materieller Kultur etc.); daneben
- Marktmechanismen (etwa: Preisbildung und -regulierung, formelle und informelle Institutionen; Krisenmanagement etc.).