Seit 1945 schien die westliche Welt Krisen und Krisenmanagement zu meistern. Der Kalte Krieg und der Fall des Eisernen Vorhangs oder auch die verstärkte wirtschaftliche Globalisierung und deren Folgen waren Krisen, die den westlichen Demokratien nichts anhaben konnten. Im 21. Jahrhundert haben wir es jedoch mit Krisen zu tun, die zur Destabilisierung der Demokratie, der internationalen Ordnung und der öffentlichen Kommunikation in Politik und Gesellschaft führen. Beispiele sind hier die Wirtschaftskrise von 2008, die Nuklearkatastrophe von Fukushima, die sogenannte Migrationskrise von 2015 und die durch die digitalen Medien und Social Media bedingten massiven Manipulationen der Wahlen in den USA und des Brexit-Referendums in Großbritannien. Zudem scheinen die traditionellen Volksparteien an Vertrauen zu verlieren. Doch es gibt auch Krisen, die zu internationaler Solidarität und Zusammenarbeit führen, wie die von der Klimakrise hervorgerufene Fridays-for-Future-Bewegung zeigt.
Die Ringvorlesung interessiert sich für die raumbezogene und transnationale Dimension von Krisen. Die internationale Verflechtung von Wirtschaft und Politik und die Mobilität von Menschen, Ideen und Kulturen haben zur Folge, dass Krisen nicht länger rein nationale Phänomene sind. Stattdessen haben sie regionale, nationale und globale Auswirkungen, die sich gegenseitig beeinflussen und verschiedene gesellschaftliche Bereiche erfassen. Internationale und transnationale Verknüpfungen können so zur Entstehung von Krisen führen oder diese verschärfen, doch sie können auch Lösungen anbieten.
Verschiedene Krisen sowohl aus der jüngeren und der weiter zurückliegenden Vergangenheit werden in der Ringvorlesung aus der Perspektive der International and Transnational Area Studies in ihrer Verflechtung oder aber komparatistisch untersucht. Dabei sind konkrete Fallstudien ebenso gefragt wie eher theoretisch ausgerichtete Beiträge.
Programm
21.10.19 Aspekte der Krise – Einführung in die Ringvorlesung
Jochen Mecke und Paul Vickers
28.10.19 Welche ökonomischen Auswirkungen hat der "Brexit“ in Deutschland?
Jürgen Jerger
04.11.19 Der Brexit als Krise der europäischen Integration? Eine zeithistorische Perspektive
Matthias Häußler
11.11.19 "This was England after all": Die Brexit-Epoche und der Norden Englands als Krisenregion
Anne-Julia Zwierlein
18.11.19 American Exceptionalism and the Crisis of American National Identity in the U.S. Today
Volker Depkat
25.11.19 Beggar thy Neighbor. Wirtschaftskrisen und Protektionismus in historischer Perspektive
Sebastian Teupe (Bayreuth)
02.12.19 Krisennarrative in Spanien und Frankreich
Jochen Mecke
09.12.19 Narrative französischer ,Migrations-Krisen‘ seit 2000
Marina Ortrud Hertrampf
16.12.19 Deindustrialisierung und Krisenbewusstein in Südosteuropa
Ulf Brunnbauer
13.01.20 Critical Whiteness Studies Transnational: Dynamiken von 'White Supremacy' und 'White Privilege' in Deutschland und den USA
Birgit Bauridl
20.01.20 Zwischen Filter Bubble und Shitstorm: Die sozialen Medien als Krise der Kommunikation?
Christiane Heibach
27.01.20 Morale on the Home Front, 1914-1945: Its Transnational Construction and Destruction
Sheldon Garon (Princeton)
03.02.20 Migrationskrise? Religionskrise? Narrative der Vikitimisierung im Kontext konfessioneller Zwangsmigration im 18. Jahrhundert
Harriet Rudolph