Die im Tal des Mäander in der antiken Landschaft Ionien (heute südwestliche Türkei) gelegene Stadt Priene ist ein Glücksfall der archäologischen Überlieferung. Wir wissen, wann die Stadt (neu-)gegründet wurde und kennen große Teile des Stadtareals, welches nie modern überbaut wurde und zudem systematisch erforscht ist. Das ermöglicht es, ein – im Vergleich zu vielen anderen Städten − vollständiges Bild vom Aufbau und dem Leben in einer antiken Kleinstadt zu zeichnen. Unsere Kenntnis reicht von der Neugründung der Stadt im 4. Jh. v. Chr., der Planung und Ausführung großer repräsentativer Architektur wie dem berühmten Athena-Tempel, für den etwa Alexander der Große als Stifter bekannt ist, bis hin zu dem Leben in und der Ausstattung von privaten Wohnbauten. Das Ziel des Seminars ist es, durch eine detaillierte Untersuchung einzelner Baubefunde und Materialgruppen beispielhaft zu verstehen, was eine griechische Stadt auszeichnet und wie diese als komplexe soziale und räumliche Einheit funktioniert. Wichtige Fragen sind dabei etwa: Wieso gründete man überhaupt eine Stadt an anderer Stelle neu? Nach welchem Prinzip wurde das Stadtgebiet eingeteilt? Welche Bauten waren für die Stadt und ihre Bewohner besonders wichtig und wie waren sie in das Stadtbild eingebunden? Wie gingen die Bewohner mit einschneidenden Ereignissen um, beispielsweise einer Brandkatastrophe im späteren 2. Jh. v. Chr.? Was machte man eigentlich in einem griechischen Privathaus? Die Teilnehmenden lernen im Zuge des Seminars, archäologische Grabungsbefunde kritisch zu beschreiben und auszuwerten (auch durch die intensive Arbeit mit der Erstpublikation der Grabungsergebnisse) sowie Fundmaterial in Bezug auf das Leben in der Stadt zu interpretieren. Die für Priene gewonnen Erkenntnisse und Methoden lassen sich im weiteren Verlauf des Studiums auf andere Stadt- und Heiligtumskontexte übertragen und bieten auch für moderne Fragen der Stadtplanung und des Zusammenlebens einen wichtigen Perspektivwechsel.